Die Möglichkeit, mit einem Pedelec mühelos große Strecken oder hohe Berge zu bewältigen, klingt natürlich sehr verlockend. Diese „Bequemlichkeit“ birgt aber auch große Gefahren und kann zu schwerwiegenden Unfällen führen, die einige sogar mit ihrem Leben bezahlen müssen.
Seit Januar 2020 verunglückten im Rhein-Kreis Neuss elf Pedelec-Fahrende. Sieben von ihnen wurden dabei leicht und zwei sehr schwer verletzt. Für einen Pedelec-Fahrer endete der Ausflug sogar tödlich. Mit einer Ausnahme waren alle zum Teil deutlich älter als 65 Jahre.
Das Durchschnittsalter der verunglückten Pedelecfahrer im Rhein-Kreis Neuss beträgt 72 Jahre. Dies ist ein Indiz dafür, dass ein Pedelec im Seniorenalter doch nicht für jeden ein sicheres Fortbewegungsmittel ist.
Ein Pedelec unterstützt den Fahrradfahrenden bei seiner Trittbewegung, somit fällt das Treten leichter und höhere Geschwindigkeiten können ohne große Schwierigkeiten erreicht werden. Bei einem „normalen“ Pedelec können das leicht 25 km/h und mehr sein.
Dies mag sich zunächst nicht so schnell anhören. Wenn man aber bedenkt, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit eines weniger sportlichen Radfahrers nur bei 10 bis 15 km/h in der Stunde liegt, dann macht die mit dem Pedelec getretene Geschwindigkeit im täglichen Verkehrsgeschehen einen großen Unterschied. Andere Verkehrsteilnehmer rechnen nicht mit der hohen Geschwindigkeit und unterschätzen Pedelec Fahrer schnell.
Aus eigener Erfahrung kann unsere Verkehrssicherheitsberaterin Daniela Luppus sagen, dass sie schon drei Mal eine absolute Vollbremsung mit ihrem Pedelec machen musste, da andere Verkehrsteilnehmer (auch Radfahrer) sie übersahen oder falsch einschätzten.
Was passiert bei einer Vollbremsung?
Man zieht Vorder- und Hinterbremse gleichzeitig voll an und hält dies bis zum Stillstand. Und das mit einem Rad, das um die 25 Kilo wiegt. Hier werden erhebliche Kräfte frei, die gehalten werden wollen. Schaffen Sie das? Falls die Antwort „Nein“ lautet, dann sollten Sie auf die Nutzung eines Pedelcs verzichten.
Schon ein normales Rad verlangt seinem Fahrer im Straßenverkehr einiges ab. Gewicht und Geschwindigkeit des Pedelecs erhöhen die Anforderungen an den Fahrenden erheblich. Das Verkehrsgeschehen muss beobachtet und angemessen und rechtzeitig reagiert werden. Es ist somit kein Ausgleich für körperliche Mängel. Nur fitte Menschen sollten es nutzen und selbst diese müssen wachsam sein. Körperliche Beschwerden, seien sie motorischer Art oder auch im Seh- und Hörvermögen gelegen, sind beim Pedelec geradezu fatal.
Hinzu kommt, dass bei Radfahrenden im Falle eines Unfalls die Gefahr einer Kopfverletzung sehr hoch ist. Die höhere Geschwindigkeit eines Pedelec verstärkt dieses Verletzungsrisiko noch.
Wenn ich nicht mehr fit genug für die Nutzung des Fahrrads bin, kann das Pedelec keine mögliche, sondern tödliche Alternative sein.
Uns ist an Ihrer Sicherheit gelegen, deshalb nehmen Sie Abstand von dem Kauf eines Pedelecs, wenn Sie dadurch körperliche Mängel ausgleichen wollen.
Wenn Sie dennoch mit einem Pedelec liebäugeln, sprechen Sie vor dem Kauf mit Ihrem Arzt. Dies ist auf alle Fälle besser, als wenn der Arzt nach einem Unfall mit Ihnen sprechen muss. Sollten Sie sich ein Pedelec zulegen, so üben Sie den Umgang erstmal abseits des „echten“ Verkehrsgeschehens und lernen so die Beschleunigung, die Kurvenfahrt und das Bremsverhalten kennen. Üben Sie das Umsehen und das einhändige Fahren, um Handzeichen geben zu können.
Und natürlich sollten Sie sich auch mit einem Pedelec an die Vorschriften halten, die für alle Radfahrer gelten. Nutzen Sie Radwege oder die Fahrbahn. Steigen Sie nicht alkoholisiert auf den Drahtesel und nehmen Sie sich lieber zurück, anstatt auf Ihr Vorrecht zu pochen.
Die Verkehrssicherheitsberater im Rhein-Kreis Neuss informieren Sie gerne über mögliche Fahrsicherheitstrainings und „Pedelec“-Parcoure im Rhein-Kreis Neuss. Hier geht es zu den Ansprechpartnern.
Daniela Luppus
Polizeihauptkommissarin
Verkehrsunfallprävention der Polizei im Rhein-Kreis Neuss